Modell der Versorgungsketten

In der Gebäudetechnik werden die Medien Warmwasser, Kaltwasser, Warmluft und Kaltluft häufig mit Energie, z. B. Öl, Gas, und Elektrizität, erzeugt, verteilt und den Verbrauchern zugeführt.

Jedem Medium lässt sich eine Versorgungskette zuordnen. Diese Versorgungskette beginnt bei der Erzeugung bzw. Aufbereitung des Mediums. Von dort transportiert die Verteilung das Medium zu einem oder mehreren Verbrauchern. Eine Versorgungskette für gebäudetechnische Anlagen besteht aus den folgenden Kettengliedern:

Verbraucher

Der Verbraucher gibt die im Medium Warmwasser enthaltene Energie bedarfsgerecht an den Raum ab (z.B. über Radiator).

Verteilung

Die Verteilung transportiert das Medium vom Erzeuger zum Verbraucher und passt es an die einzelnen Anforderungen an (möglichst geringe Verluste).

Produktion

Die Erzeugung besteht aus dem Heizkessel, in dem das Medium Warmwasser unter Einsatz von Energie (z.B. Heizöl, Gas) aufbereitet wird und dem Prozess zur Verfügung gestellt wird.

Versorgungsketten verschiedener Medien

Die folgende Abbildung zeigt schematisch die Versorgungsketten für die Medien Luft, Warmwasser und Kaltwasser, ergänzt mit der Erzeugung (Aufbereitung), der Verteilung (z. B. Heizkreis, Kühlkreis, Vorregelung) und den Verbrauchern.

Ersichtlich ist auch die Versorgungskette für das Medium Elektrizität, die normalerweise bei der Versorgung beginnt, bzw. bei der Erzeugung, wenn die Elektrizität vor Ort erzeugt wird (z. B. Blockheizkraftwerk BHKW, Fotovoltaik).

Bei den einzelnen Versorgungsketten entsteht eine sich nach rechts öffnende Baumstruktur. Das heisst, einer oder mehrere Erzeuger versorgen mehrere Vorregler, und jeder Vorregler wiederum versorgt einen oder mehrere Verbraucher oder weitere Vorregler.

Aus der Sicht der Versorgungskette "Luft" gehört die Luftaufbereitung zur Erzeugung (Aufbereitung). Aus Sicht der Versorgungsketten Warmwasser und Kaltwasser gehört die Luftaufbereitung (bzw. der Lufterwärmer, Luftkühler) jedoch zu den Verbrauchern.

Die Versorgungskette Luft besteht aus der zentralen Luftaufbereitung, fakultativ ergänzt durch die Vordruckregelung und die Luftnachbehandlung.

Versorgungsfluss

In jeder Versorgungskette fliesst das Medium vom Erzeuger über die Verteilung zum Verbraucher. Dieser Fluss innerhalb der Versorgungskette wird mit "Versorgungsfluss" bezeichnet.

Aufbau von Versorgungsketten

Eine Versorgungskette besteht zumindest aus einem Erzeuger und einem Verbraucher. Sie kann aber auch mehrere Kettenglieder enthalten, das heisst Erzeuger, Verteiler und Verbraucher und somit wie folgt aufgebaut sein:

  1. Ein Erzeuger mit einem Verteiler und einem Verbraucher
  2. Ein Erzeuger mit zwei Verteilern in Serie und einem Verbraucher
  3. Ein Erzeuger mit zwei Verteilern parallel und zwei Verbrauchern parallel
  4. Mehrere Erzeuger, Verteiler und Verbraucher parallel

Erzeuger

In der Praxis gibt es oft mehrere Erzeugereinheiten, wie z.B. Heizkessel gleicher oder unterschiedlicher Leistungen oder eine Mischung von unterschiedlichen Einheiten wie z.B. Heizkessel kombiniert mit Solaranlage und Blockheizkraftwerk (eventuell noch ergänzt durch Speichereinheiten).

Logischer Erzeuger

Aus Sicht von Verteiler und Verbraucher gibt es innerhalb einer Versorgungskette nur einen einzigen Erzeuger, den sogenannten logischen Erzeuger, mit genau einem Einspeisepunkt zum Verteilnetz. Dieser logische Erzeuger" kennt nicht den Aufbau des Verteilnetzes und auch nicht die angeschlossenen Verbraucher. Anderseits wissen die Verteiler und Verbraucher nicht, ob der Erzeuger aus einer oder mehreren Einheiten besteht.

Verteiler

Der Verteiler bzw. die Verteilung transportiert das Medium in der Versorgungskette. Dabei sollen die Energieverluste an die Umgebung und der Energieverbrauch für Pumpen, Ventilatoren möglichst klein sein.

Konvertierung

Die Umformung (Transformation) des Mediums, z.B. in einem Wärmetauscher, wird in einer Versorgungskette der Verteilung zugeordnet. Die Änderung des Temperatur­niveaus (z.B. Vorregelung in einem Heizkreis) wird auch als Umformung verstanden. Vorregler können in Serie angeordnet sein (Kaskadierung).

Verbraucher

Zu den verschiedenen Versorgungsketten gehören z. B. die folgenden Verbraucher:

Versorgungskette

Verbraucher

Warmwasser

Luftaufbereitung und Luftnachbehandlung (Heizregister)

Heizkörper (Radiator, Konvektor)

Bodenheizung, Brauchwarmwasseraufbereitung

Kaltwasser

Luftaufbereitung Kühlen Luftnachbehandlung (Heizregister)

Kühlfläche (Kühldecke)

Luft

Luftnachbehandlung (Klappen)

Elektrizität

HLK Verbraucher, übrige Verbraucher

Koordinator 
und Disponent

Zusätzlich zu den drei Kettengliedern Erzeuger, Verteiler und Verbraucher gibt es die logischen Glieder Koordinator und Disponent.

Versorgungsketten für einen Raum

Für einen Raum lassen sich unterschiedliche Verbraucherbedürfnisse definieren, wie z. B. Wärme, Kälte und Frischluft.

Wärmebedarf

Für den Wärmebedarf gibt es die Versorgungskette Warmwasser. Das Medium Warmwasser wird in der Warmwassererzeugung aufbereitet und über einen Heizkreis verteilt. Die Wärme wird über eine Heizfläche bedarfsgerecht an den Raum abgegeben. Bei Luft als Wärmeträger erfolgt dies über eine Vorregelung und eine Luftnachbehandlung.

Kältebedarf

Für den Kältebedarf gibt es die Versorgungskette Kaltwasser. Das Medium Kaltwasser wird in der Kaltwassererzeugung aufbereitet und über einen Kühlkreis verteilt. Die Kälte wird über eine Kühlfläche bedarfsgerecht an den Raum abgegeben. Bei Luft als Kälteträger erfolgt dies über eine Vorregelung und eine Luftnachbehandlung.

Frischluftbedarf

Für den Frischluftbedarf gibt es die Versorgungskette Luft, die das Medium in der Luftaufbereitung erzeugt, über das Kanalnetz verteilt und wenn erforderlich über eine Luftnachbehandlung den Anforderungen des Raums anpasst und die Luft dann über Luftauslässe an den Raum abgibt.

Die HLK Applikationsarchitektur

Die HLK Applikationsarchitektur beinhaltet eine Gesamtsicht über typische Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen mit verteilten Anwendungen und lehnt sich sehr stark an die Versorgungsketten (Energie- und Stoff-Flüsse) in gebäudetechnischen Anlagen.

  • Bei verteilten Anwendungen können die HLK relevanten Bedarfs- und Koordinations­signale untereinander standardisiert ausgetauscht und weiter verwendet werden.
  • Die HLK Applikationsarchitektur ist eine Strukturierung der HLK Funktionen in sinnvolle Einheiten, Schnittstellen und Funktionsmechanismen.
  • Die HLK Applikationsarchitektur ist skalierbar und unabhängig von Produkten und Kommunikations-Standards.

HLK-Systemsicht

Die Betrachtung und Definition der HLK Applikationsarchitektur und deren Funktiona­lität führt zur HLK Systemsicht bestehend aus:

  • Anlage (vorwiegend HLK-Anlagen)
  • Bedienereingiffe
  • Funktionseinheiten

Anlage

Eine Anlage besteht vordergründig aus Teilanlagen, Aggregaten und Komponenten, die grundsätzlich jedoch eine Versorgungskette mit den Kettengliedern Erzeuger (hier Heizkessel), Verteilung (Vorregelung, Heizkreis) und Verbraucher (Radiator) ergeben.

Bedienereingiffe

Befehle werden bei jedem Kettenglied über Bedieneingriffe via HMI ausgeführt. Auswirkung auf die Anlage (bzw. den Prozess) erfolgen über die entsprechende Funktionseinheit und das Automationssystem.

Funktionseinheiten

Die Funktionseinheiten entsprechen der softwaremässigen Abbildungen der Ketten­glieder und Anlagenelemente. Sie enthalten alle Steuer-, Regel-, Überwachungs- und Begrenzungsfunktionen, die für den Betrieb notwendig sind.

Informationssignale

Die Information für den Energiebedarf kann innerhalb der Versorgungskette implizit über das Medium erfolgen, z.B. wenn die Warmwasser-Vorlauftemperatur absinkt, weil der Wärmeverbrauch steigt, muss mehr Wärmeenergie erzeugt werden.

Die Information kann aber auch durch ein explizites Signal dargestellt werden und über einen Signalpfad übertragen werden (z.B. über einen Bus). Folgende explizite Signale sind im Desigo-System definiert worden:

Explizite Signale

Signalfluss

Applikation

Bedarfssignal

Verbraucher zu Erzeuger

Eine Anlagen-Funktionseinheit teilt ihren Bedarf (d.h. Betriebsart, Sollwerte) einer anderen Anlagen-Funktionseinheit in Richtung Erzeuger mit. Am Schluss trifft das Bedarfssignal beim Erzeuger ein.

Betriebssignal

Erzeuger zu Verbraucher

Eine Anlage informiert die nachgeschalteten Anlagen über ihren gegenwärtigen, effektiven Betriebszustand. Dieses Signal wird nur in Ausnahmefällen benötigt und wird deshalb situationsbedingt verschaltet.

Zwangssignal

Erzeuger zu Verbraucher

Der Erzeuger fordert von einem Verbraucher eine bestimmte Betriebsart. Zwangssignale sind eher die Ausnahme als die Regel und werden deshalb in den Beispielanlagen nicht implementiert. Zwangssignale werden unter anderem für Solaranlagen und Holzfeuerungen verwendet, bei denen die minimale Wärmeproduktion nicht gesteuert werden kann.

Neben den Funktionseinheiten gibt es noch zwei weitere Elemente, die softwaremässig zu einer Versorgungskette gehören.

  • Der Koordinator fasst die Bedarfssignale von nachgeschalteten Anlagen zusammen und liefert das resultierende Bedarfssignal an die vorgeschalteten Anlagen. Der Koordinator meldet auch den Betriebszustand der vorgeschalteten Anlagen an die nachgeschalteten Anlagen.
  • Der Disponent bestimmt in Abhängigkeit des resultierenden Bedarfssignals der Verbraucher, die Bedarfssignale an die Erzeuger. Er entscheidet, welche und wie viele Erzeuger eingeschaltet werden müssen.